Aktuelles aus der Nutztierhaltung, Politik und der Geschäftsstelle
Aktuelles aus der Nutztierhaltung, Politik und der Geschäftsstelle
Sarah Haug
Die konventionelle Ausstallung von Legehennen führt zu Stress und kann zu Verletzungen bei den Tieren führen. In der Schweiz sind bisher kaum schonendere Alternativen bekannt. Dies soll sich ändern. Dazu hat KAGfreiland gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und dem Schweizer Tierschutz (STS) eine tierfreundlichere Ausstallmethode auf einem KAGfreiland-Betrieb getestet.
Vor der Schlachtung von Legehennen werden die Tiere für den Transport eingefangen und in Transportkisten gepackt. Diesen Vorgang nennt man Ausstallen. In der Schweiz leben Legehennen meist in Volieren, welche ein Vorteil für das Tierwohl sind. Beim Ausstallen wird dieses Haltungssystem allerdings zur Herausforderung. Die praxisübliche Ausstallmethode ist geprägt von dieser Herausforderung und erfolgte daher bisher nicht schonend. Bei der herkömmlichen Methode werden die Tiere an einem Bein aus den Volieren gezogen, kopfüber an einem Bein durch den ganzen Stall zu den Transportkisten getragen und schliesslich kopfüber in die Kisten gepackt. Vögel besitzen kein Zwerchfell, wodurch sämtliche Organe ungehindert Richtung Kopf rutschen, wenn die Tiere kopfüber getragen werden. Dabei drücken die Organe auf die Luftsäcke, was zu Atemnot führt. Diese Methode verursacht Stress bei den Tieren und ist nicht tierfreundlich.
Das Ausstallen optimieren
Anfangs 2024 lancierte das FiBL gemeinsam mit KAGfreiland ein Projekt im Bereich Geflügelschlachtung. Das von KAGfreiland benannte Projekt «Tierwohl bis zum letzten Flügelschlag» hat zum Ziel, den Stress von Geflügel vom Ausstallen bis zur Schlachtung zu reduzieren. Dazu soll unter anderem das Ausstallen von Legehennen optimiert werden. Der STS beschäftigt sich schon länger mit dem Thema. Daher haben KAGfreiland, das FiBL und der STS beschlossen, gemeinsam das Ausstallen von Legehennen zu verbessern. Dazu sollen schonendere Ausstallmethoden zusammen mit LandwirtInnen erarbeitet und in der Praxis getestet werden.
Die alternative Ausstallmethode
Eine alternative Ausstallmethode wird bereits in den Niederlanden erfolgreich angewendet. Bei dieser Alternative werden die Legehennen aufrecht von den Volieren gehoben. Dazu umfasst man mit beiden Händen den Körper des Tieres und übergibt es an eine andere Person, welche das Huhn dann aufrecht in die Transportkiste setzt. Anders als beim konventionellen Ausstallen befinden sich die Transportkisten im Stall direkt neben den HelferInnen. Somit müssen die Tiere nicht kopfüber durch den ganzen Stall getragen werden. Die vollen Kisten werden schliesslich auf kleinen Transportwägen aus dem Stall gefahren. Mit dieser Methode dauert das Ausstallen zwischen 1.2 bis 1.3 mal länger, verursacht allerdings weniger Stress bei den Tieren. Zudem wird die Verletzungsgefahr der Legehennen reduziert.
Umsetzung in die Schweizer Praxis
Im Projekt soll die alternative Ausstallmethode aus den Niederlanden an die Bedingungen in der Schweiz angepasst und in der Praxis getestet werden. Für den Versuch benötigte es einen Eierproduzenten, der mutig genug war, etwas Neues auszuprobieren. Der KAGfreiland-Produzent Hansjörg Studer aus Schlatt TG hat sich bereit erklärt, gemeinsam mit uns eine neue Methode zu erarbeiten und in seinem Legehennenstall zu testen. So wurde schliesslich die Methode aus den Niederlanden mit Hilfe des Produzenten an die Verhältnisse in seinen Ställen angepasst. Hansjörg Studer besitzt zwei Legehennenställe mit Platz für jeweils rund 2'000 Tiere. Die Legehennen wurden im Juni und September 2024 geschlachtet, wodurch die alternative Ausstallmethode zweimal auf dem Betrieb getestet werden konnte.
Der erste Versuch
Die erste Ausstallung fand am 26. Juni 2024 auf dem Betrieb statt. Treffpunkt war um 2.30 Uhr in der Nacht vor dem Legehennenstall in Schlatt TG. Legehennen werden immer nachts bei Dunkelheit ausgestallt, da die Tiere dann auf den Volieren schlafen. Das vereinfacht das Einfangen der Tiere. Das Ausstallteam bestand aus MitarbeiterInnen von KAGfreiland, FiBL und dem STS. Insgesamt waren es zehn aktive HelferInnen und der Landwirt. Das Team bestand aus FängerInnen, welche die Hennen einfingen, PackerInnen, welche die Tiere in die Transportkisten setzten, Logistikpersonen, welche die vollen Kisten nach draussen transportierten und auf das Transportfahrzeug beförderten und eine Person, welche alles dokumentierte. Insgesamt wurden rund 1’900 braune Hennen ausgestallt. Das Ausstallen mit der neuen Methode verlief gut und nach einer Stunde und 50 Minuten war der Stall leer. Gemäss dem Produzenten Hansjörg Studer dauerte das Ausstallen im selben Stall mit der konventionellen Methode rund anderthalb Stunden. Die alternative Methode dauerte also, wie erwartet, etwas länger. Die Mehrzeit lag allerdings in einem akzeptablen Bereich. Besonders für den ersten Versuch.
Der zweite Versuch
Für die zweite Ausstallung haben sich das Ausstallteam und der Landwirt am 11. September 2024 erneut in der Nacht vor dem Stall versammelt. Das Team bestand wiederum aus insgesamt elf aktiven HelferInnen. Die zweite Ausstallung war aufgrund der Stalleinrichtung und einer anderen Legehennen-Rasse anspruchsvoller. Der zweite Stall hatte ein anderes Volieren-System, das es schwieriger machte, an die Hennen heranzukommen. Zudem wurden weisse Legehennen ausgestallt, welche bekanntlich aktiver und schreckhafter sind als braune Hennen. Das Fangen und Einpacken waren dementsprechend schwieriger. Doch für diesen Versuch hatte das auch Vorteile: So war es möglich, die entwickelte Methode auch unter anderen Bedingungen in der Praxis zu testen. Es wurden rund 1'850 weisse Hennen ausgestallt. Der zweite Versuch dauerte zwei Stunden und sechs Minuten. Gemäss dem Produzenten Hansjörg Studer dauerte das Ausstallen im selben Stall mit der konventionellen Methode zwischen einer Stunde und 75 Minuten. Die Mehrzeit bei diesem zweiten Versuch betrug also rund eine Stunde. Jedoch wurde ein Teil dieser Mehrzeit durch ein Missgeschick verursacht, welches nun aufgrund dieser Erfahrung künftig vermieden werden kann. Während des Ausstallens hielten sich viele Tiere am Boden unter den Legenestern auf. Normalerweise befinden sich dort kaum Legehennen, sondern sie verbringen die Nacht auf den Volieren. Die Tiere unter den Nestern wurden vom Ausstallteam zu spät bemerkt. Nämlich erst, als die Tiere bereits wach waren und im Stall umherliefen. Das führte dazu, dass am Schluss noch rund 150 herumrennende Hennen eingefangen werden mussten. Dies allein verursachte 50 Minuten Zeitaufwand. Ohne diesen Zwischenfall hätte die Ausstallung rund anderthalb Stunden gedauert. Diese Mehrzeit von rund 30 Minuten wäre wiederum akzeptabel gewesen.
Fazit aus den Versuchen
Zuvor hatte in der Schweiz noch keine Ausstallung von Legehennen mit dieser Methode in der Grössenordnung stattgefunden. Es waren deshalb keinerlei Vorkenntnisse oder Praxiserfahrungen vorhanden. Beide Ausstallversuche können wir deshalb als erfolgreich bezeichnen. Ebenfalls der Landwirt Hansjörg Studer bewertet die Versuche positiv: «Es war ein massiver Unterschied zu der konventionellen Methode. Die Tiere waren viel ruhiger und das Ausstallen verlief entspannter», so Studer. Das ist erfreulich, da ruhigere Tiere ein Anzeichen dafür sind, dass sie weniger Stress hatten und die Ausstallung somit tierfreundlicher war. Des Weiteren war die Mehrzeit für den Landwirten vertretbar. «Wir waren nicht viel langsamer als bei der herkömmlichen Methode. Die Mehrzeit lohnt sich, da die alternative Methode für die Tiere und HelferInnen angenehmer ist», fährt Studer fort. Auch das Ausstallteam hat die Methode als schonend für die Tiere eingeschätzt. Die alternative Methode wurde von den HelferInnen zudem als angenehmer bewertet, da die Tiere direkt in die Kisten gepackt werden konnten und ruhig waren. Die alternative Methode hat nicht nur die HelferInnen, sondern auch Hansjörg Studer überzeugt: «Ich werde zukünftig nur noch mit dieser Methode ausstallen.» Die Aussagen des Landwirts sind doppelt erfreulich, da das Ziel des Projektes eine Methode ist, welche nicht nur den Tieren einen Mehrwert bringt, sondern auch den LandwirtInnen.
Wie geht es weiter?
Durch diese Versuche konnte der Fuss in die Praxis gesetzt werden, was ein Erfolg für das Projekt ist. Erste Erfahrungen konnten gesammelt werden und auf den gewonnenen Erkenntnissen kann aufgebaut werden. Im Rahmen des Projekts sind weitere Praxisversuche in verschiedenen Ställen geplant. Gemeinsam mit weiteren LandwirtInnen und der Geflügelbranche soll die Methode weiterentwickelt und optimiert werden. Es gibt noch einige organisatorische Knackpunkte, welche geklärt werden müssen, damit die alternative Methode verbreitet in Schweizer Ställen angewendet werden kann. Am Ende des Projektes soll das gewonnene Wissen mit interessierten Betrieben geteilt werden, so dass die alternative Methode vermehrt zur Anwendung kommt und mehr Legehennen künftig schonender ausgestallt werden können.
Bildlegende
Bild 1: Bei der konventionellen Methode zieht man die Tiere an einem Bein aus den Volieren und trägt sie kopfüber zu den Kisten. Quelle: Schweizer Tierschutz STS
Bild 2: Bei der alternativen Methode fängt und hält man die Hennen aufrecht, indem man ihren Körper umfasst. Quelle: Schweizer Tierschutz STS
Bild 3: In den Versuchen wurden die gefüllten Kisten auf kleinen Wägen aus dem Stall gefahren.
Quelle: Schweizer Tierschutz STS