KAGfreiland startet das Projekt HAS IM GRAS.
KAGfreiland startet das Projekt HAS IM GRAS.
Die Bodenhaltung von Kaninchen ist vergleichbar mit den Bedingungen der konventionellen Mastschweine-Haltung: Die Tiere werden in geschlossenen Hallen über ihren eigenen Exkrementen gehalten, ohne Auslauf an die frische Luft. Die Nahrungsgrundlage bildet hauptsächlich ein Hochleistungsfutter, welches stark von einer artgerechten Ernährung abweicht. Entsprechend hoch ist der Krankheitsdruck; die Sterblichkeitsrate während der 80-tägigen Mastdauer liegt bei 10 – 30%.
In der freien Wildbahn ernähren sich Kaninchen grösstenteils von Gräsern und diversen Wiesenkräutern. Auch Rinde und Laub können sie hervorragend verwerten. Als ausgesprochene Raufutterverwerter ist ihr ganzer Verdauungstrakt auf diese Nahrungsgrundlage ausgelegt: ihnen fehlt die Darmperistaltik und sie müssen permanent Nahrung wie Gras und Kräuter zu sich nehmen, um die Magen- und Darmfunktionen aufrecht zu erhalten. Zudem verzehren Kaninchen in der Wildbahn eine Vielzahl an Kräutern und Heilpflanzen, die ihrer Gesundheit dienlich sind. So wurden Tiere dabei beobachtet, wie sie bei gesundheitlichen Beschwerden bestimmte Kräuter zu sich nahmen.
Solche Bedürfnisse werden in der herkömmlichen Mast nicht berücksichtigt. Hier stehen artgerechte Futterkomponenten wie Heu oder Stroh nur minimal zur Verfügung, und dies eher zur Beschäftigung denn als Futtergrundlage. Um eine möglichst kurze Mastdauer mit hohen Tageszunahmen zu gewährleisten, werden die Tiere fast ausschliesslich mit Mastfutter aus verschiedenen Getreidesorten und Mais gefüttert. Statt Heilkräuter erhalten sie vorbeugend Medikamente im Futter und Trinkwasser verabreicht. Denn die einseitige Fütterung mit hochkonzentriertem Kraftfutter hat entsprechend Einfluss auf den Gesundheitszustand der Tiere. Mögliche Folgen sind Komplikationen im Verdauungstrakt, aber auch Fehlstellungen und mangelnder Abrieb der Zähne.
Obwohl die heute in der Schweiz übliche Bodenhaltung den Tieren deutlich mehr Platz gewährt als die frühere Einzelhaltung in Käfigen, hat sie gravierende Nachteile auch beim Sozialverhalten. Aufgrund der spärlichen oder fehlenden Strukturierung können sich rangniedrige Tiere aggressiven Auseinandersetzungen nicht entziehen, so dass es zu Dauerstress und bei Rangordnungskämpfen zu Verletzungen kommt. Zudem können die Tiere gewisse natürliche Verhaltensformen kaum ausleben: Aufgrund der perforierten Böden bleiben ihnen Grabaktivitäten verwehrt, Rennen und Hakenschlagen sind in der engen Umgebung schlecht möglich.
Solche Einschränkungen des natürlichen Verhaltens bleiben nicht ohne Folgen. Stress führt oft zu Magen-Darm-Erkrankungen, die vor allem bei Jungtieren rasch tödlich sind. Und Muttertiere weisen oft Verhaltensstörungen auf, die auf ein erhöhtes Stresslevel zurückzuführen sind. So säugt in freier Wildbahn das Muttertier seinen Nachwuchs nur einmal täglich und hält sich die restliche Zeit nicht in der Nähe des Baus auf. In der Bodenhaltung dagegen werden die trächtigen und säugenden Zibben in Gruppen zu 5-10 auf engem Raum gehalten und sind nie ungestört. Die Folgen reichen von Milchmangel bis zu Kannibalismus und Tierverlusten.
Ernährungstechnisch ist das zarte und feinfaserige Kaninchenfleisch ein interessantes und gesundes Produkt. Es ist fett- und cholesterinarm, enthält genauso viele Proteine und B-Vitamine wie Geflügelfleisch, einen doppelt so hohen Eisengehalt und ist dabei kalorienärmer. Durchschnittlich werden in der Schweiz pro Kopf und Jahr rund 200 Gramm Kaninchenfleisch konsumiert, Tendenz sinkend. Im Vergleich zu anderen Fleischsorten ist es damit ein absolutes Nischenprodukt. 57% des Kaninchenfleisches werden importiert, oft aus in der Schweiz nicht zulässiger Haltungsform, teilweise aus Bodenhaltungssystemen, die ihren Namen kaum verdienen. Die restlichen 43% werden über die inländische Produktion gedeckt, in der ausschliesslich Bodenhaltung betrieben wird.
Aufgrund seiner Exklusivität und bei einer wirklich artgerechten Haltung hat Kaninchenfleisch das Potential, im höheren Preissegment vermarktet zu werden und damit die Kosten der erhöhten Arbeitsaufwandes der Freilandhaltung zu decken. Die hohe Fruchtbarkeit der Kaninchen ist ein weiterer positiver Aspekt für den Einstieg in die Kaninchenmast. So bringt eine Zibbe bis zu zehn Jungtiere zur Welt. Bei sechs bis maximal 8.5 Würfen pro Zibbe und Jahr kann die Anzahl der Nachkommen rasch zunehmen - zumal Jungtiere im Alter von drei Monaten bereits geschlechtsreif werden. Aufgrund des kurzen Reproduktionszyklus und der ebenso kurzen Mastdauer von drei Monaten kann der Tierhalter oder die Tierhalterin auf eine steigende oder sinkende Nachfrage flexibel reagieren und die Bestände entsprechend anpassen.
Im Bio-Bereich besteht allerdings bisher kein eigentlicher Absatzmarkt für Kaninchenfleisch, ebenso wenig wie ein Markt für Absetzkaninchen. Absetzkaninchen mit Bio-Label züchtet derzeit ein einziger Betrieb in der Schweiz, Martin Kunz in Frick AG. Die meisten Bio- oder KAGfreiland-Betriebe, die Kaninchen halten, züchten wenige Tiere für den Eigenbedarf und die Direktvermarktung. Das Fleisch ist demnach nur sporadisch, punktuell und in kleiner Menge erhältlich.
Bei Grossverteilern wie Coop und Migros ist kein Bio-Kaninchenfleisch erhältlich, zumal derzeit kein Betrieb dieses in grösserer Menge regelmässig liefern könnte.
Eine gewisse Nachfrage nach Kaninchen in Bio-Freilandqualität ist aber an sich vorhanden, wie die Erfahrungen im Projekt Has im Gras und auch eine Marktumfrage zeigten. Jedoch muss im konkreten Fall die ganze Produktionskette von der Zucht über die Mast bis zur Preisgestaltung und den entsprechenden Absatzkanälen zusammenspielen und aufgebaut werden.